Die Rathausgemälde

Filigraner Hochzeitswagen aus lauterem Gold Bilder-Geschichte im Rathausprunksaal als Initialzündung für das große Spiel Landshut in Niederbayern.

Das Rathaus steht im Herzen der Stadt. Der Rathausprunksaal ist die „gute Stube“, Pflichtbestandteil jeder Stadtführung. Hier befindet sich eine der Wurzeln des großartigen Festspiels „Landshuter Hochzeit 1475“.

Die Rede ist vom „Gemäldezyklus an den Wänden im Prunksaal des Landshuter Rathauses: herzoglicher Herold hoch zu Ross, Fanfarenbläser, Blumen streuende Edeldamen, gaffendes Volk. Banner- und Wappenträger im festlichen Zug, Ritter in schimmernder Rüstung, der Kaiser mit Zepter und Krone, Schellen klimpernd der Hofnarr, sein Gewand in schreiendem Rot. Unterm Tragehimmel geistliche Würden mit Krummstab und Mitra, adelige Gäste in Seide und Samt. Langgemähnte Schimmel, prächtig herausgeputzt, vor filigranem Hochzeitswagen aus lauterem Gold. Der junge Herzog, den feurigen Rappen mit Mühe nur zügelnd, an der Seite seiner königlichen Braut auf dem Weg zur Kirche von Sankt Martin, wo der Erzbischof von Salzburg sie zusammengeben wird“. – So farbig beschreibt Hans Thoma das umlaufende Wandgemälde im Rathaus, diese wegweisende Darstellung der historischen Ereignisse von 1475.

Die Chronik des Vereins „Die Förderer“ belegt, dass sich die angesehenen Bürger Georg Tippel und Josef Linnbrunner 1902 zusammentaten, um eine Organisation zu gründen, die dazu geeignet sein sollte, die Gemälde des Rathausprunksaals durch einen Festzug neuerlich in die Realität zu überführen. Aus privaten Mitteln wurden 145 Kostüme bereitgestellt. Der erste Festzug fand am 15. August 1903 anlässlich der 3. Niederbayerischen Industrie- und Gewerbeausstellung statt. Was im Rathaus „eingefroren“ die Wände ziert, kam – nach über 500 Jahren – wieder in Bewegung: Als die Bilder laufen lernten...

Das Landshuter Rathaus besteht ursprünglich aus drei Gebäuden – drei gotische Giebelhäuser, die zur Altstadt hin eine mächtige – seit dem Umbau von 1860 – neugotische Fassade bilden. Der Rathausprunksaal im Obergeschoß des Mittelgebäudes bestand schon im Mittelalter und war gleichfalls dem Zeitgeschmack unterworfen. Ab 1862 sollte das Rathaus auch innen „modern“ gestaltet werden. 1876 übertrug man dem Architekten Georg Hauberisser die Aufgabe, dem Saal neugotisches Gepränge zu geben. Es gab langes Hin und Her über das Motiv der Fresken; der Magistrat entscheid sich dann aber für das prächtigste Kapitel Landshuter Geschichte: die Münchner Hofmaler August Spieß, Rudolf Seitz, Ludwig Löfftz und Konrad Weigand bekamen den Auftrag, in einem umlaufenden Gemälde die „Landshuter Hochzeit 1475“ darzustellen.

Der Betrachter erlebt den Augenblick im November 1475, als der wittelsbachische Herzog Georg der Reiche von Bayern-Landshut die von Kaiser Friedrich III., von Fürsten und hohem Landadel eingeholte jugendliche Braut, die polnische Königstochter Hedwig, auf der „Wiesmahd“ – der heutigen Grieserweise, begrüßt, um sie im Triumphzug zur Trauung in das Münster von St. Martin zu geleiten.

Das prächtige und überaus lebensechte Bild dieser fürstlichen Prunkhochzeit im Abendrot des Mittelalters brachte die Landshuter auf die Idee, die Gewerbeausstellung von 1903 mit einem historischen Festzug zu eröffnen. Bürgerinnen und Bürger sollten in historischen Gewändern die „Landshuter Hochzeit“ darstellen. Dafür wurde unter anderem von Gastwirt Georg Tippel und Brotfabrikant Joseph Linnbrunner der Verein „Die Förderer“ gegründet, der in den über hundert Jahren seit 1903 die „Landshuter Hochzeit 1475“ zum bedeutendsten historischen Dokumentarspiel Europas gemacht hat.

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